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Traités et Affaires institutionnelles
"Für ein besseres Europa" - ein Artikel von Nicolas Schmit und Alberto Navarro
26-01-2007 / 26-01-2007


Auf Initiative Spaniens und Luxemburgs treffen sich heute in Madrid die 18 Länder, die die europäische Verfassung ratifiziert haben. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass wir zwei Drittel der 27 Mitgliedsländer der Union und der über 270 Millionen europäischen Bürger ausmachen.

Wir möchten die deutsche Ratspräsidentschaft bei der schwierigen und wegweisenden Aufgabe unterstützen, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, in dem sich der Verfassungsprozess gegenwärtig befindet. Ausserdem möchten wir in der Debatte über die Zukunft Europas, über unsere gemeinsame Zukunft, gehört werden. Die grosse Frage, die wir Europäer zu beantworten haben, ist nicht, ob die europäische Verfassung noch lebt. Die wesentliche Frage, auf die wir eine Antwort geben müssen, ist: "Welches europäische Modell wollen wir für das XXI. Jahrhundert?". Oder anders gesagt: "Was wollen wir Europäer gemeinsam tun?".

In dieser immer stärker globalisierten und verflochtenen Welt ist ein geeintes und handlungsfähiges Europa wichtiger denn je. Unsere Bürger, die ihren Lebensstil und ihre europäischen Werten hoch schätzen, zeigen sich angesichts der Globalisierung besorgt. Um sich den Herausforderungen und Sorgen zu stellen, die diese heraufbeschwört, wären wir auf zahlreichen Gebieten effizienter, wenn wir auf europäischer und nicht auf rein nationaler Ebene handelten; siehe die Beschäftigung, die Gesundheit, den Kampf gegen den Terrorismus und die Kriminalität, die illegale Einwanderung, die Klimaveränderungen, die schlechten Arbeitsbedingungen in Europa, die Armut in der dritten Welt oder die Energiesicherheit. Ausserhalb unserer Grenzen erwarten die Vereinigten Staaten, Russland, China, Japan, Lateinamerika, Afrika oder Asien, dass Europa aktiv an der Lösung der großen Fragen und Debatten teilnimmt, die unseren Planeten spalten.

Aber seit einiger Zeit ist Europa nicht auf der Höhe dieser Herausforderungen. Es hat nicht mit der Entschiedenheit und Zielstrebigkeit gehandelt, die von einer politischen und wirtschaftlichen Macht und von dem grössten Freiheitsraum der Welt zu erwarten wäre. Mehrere Faktoren, einige sind real und andere fiktiv, haben dazu beigetragen, Mutlosigkeit und Apathie zu säen. Zu dem schwachen Wirtschaftswachstum sind die Ängste vor Standortverlegungen, vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, vor einer schlecht erklärten Erweiterung und die ständigen Kritiken gegen "Brüssel" hinzugekommen, "Brüssel", das für alles Negative verantwortlich gemacht wird.

Einige glauben heute, dass es zuviel Europa gibt, und fordern die Renationalisierung der Politik, die Reduzierung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung und die Rückbesinnung auf die nationalen Identitäten. Dies wäre ein Rückschritt ohne Zukunft. Wir hingegen glauben, dass ein besseres Europa nötig ist; eines, das fähig ist koordinierter und effizienter zu handeln, und das über eine gemeinsame Politik verfügt, zum Beispiel auf dem Gebiet der Einwanderung oder der Energie. Diese Probleme, die tagtäglich die Bürger betreffen, können nicht auf rein nationaler Ebene gelöst werden.

Die europäische Verfassung wurde ausgehandelt, um die Handlungsfähigkeit einer größeren Union in einer komplexeren Welt zu stärken. Der Vertragstext definiert das Modell Europas, das die 18 Länder, die sich heute in Madrid treffen, als Basis für die Zunkunft sehen; ein Modell, das sich in vier Ideen zusammenfassen lässt:

1. Ein politisches Europa mit Gemeinschaftspolitiken

Wir dürfen uns nicht damit begnügen, dass Europa nur ein grosser Markt oder eine grosse Freihandelszone ist. Wir brauchen ein Europa, das handelt und nicht nur Zuschauer ist, das unsere Werte und unsere Interessen verteidigt, das seine Bürger schützt, indem es ihnen mehr Sicherheit innerhalb und ausserhalb seiner Grenzen bietet.

Wir wollen ein politisches Europa, das mit einer Stimme spricht, mit einem Aussenminister und einem gemeinsamen diplomatischen Dienst. Wir wollen ein Europa, das aus seinem großen Binnenmarkt Nutzen zieht, aber auch über eine gemeinsame Politik verfügt. Schließlich ist sie es, die unseren Bürgern einen wirklichen "zusätzlichen Wert" bringt, wie im Falle der Wirtschafts- und Kohäsionspolitik, der Umweltschutzpolitik, der Agrar-, Handels-, Wettbewerbs-, Fischerei- und Verkehrspolitik. Wir müssen aber auch eine neue Politik in Sachen Einwanderung, polizeilicher und gerichtlicher Zusammenarbeit, Energie und Klimawandel, Außen- oder Verteidigungspolitik entwickeln.

2. Ein Europa der Werte und der Solidarität

Die Prinzipien und Werte sind es, die uns einen: der Respekt vor der menschlichen Würde und den Menschenrechten, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Gleichheit zwischen Frauen und Männern. Diese Werte sind die Basis unserer europäischen Identität. Unsere Gesellschaften definieren sich über den Pluralismus, die Nicht-Diskriminierung, die Toleranz, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität sowohl im Inneren, besonders mittels der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion und des sozialen Schutzes, als auch auf internationaler Ebene mittels der Handelspolitik, der Politik der Entwicklungszusammenarbeit, der Verteidigung der Menschenrechte, der humanitären Hilfe oder der Konfliktprävention.

3. Ein Europa der und mit den Bürgern

Europa muss näher an die Bürger heranrücken, ihnen den Zugewinn verständlicher machen, den die unterschiedlichen Gemeinschaftspolitiken der Union für ihre Rechte, ihren Wohlstand und ihre Sicherheit haben. Europa darf kein Synonym für Bürokratie sein. Eher im Gegenteil, Europa muss einen breiteren Weg für die Beteiligung der Bürger öffnen. Es muss sich auf die doppelte Legitimität der Staaten und der Bürger stützen. Wir müssen den Begriff des europäischen Bürgers entwickeln und diesen mit größerem realen Inhalt füllen, was eine große Aufgabe für die Zukunft ist.

Die Charta der Grundrechte und die Gesetzesinitiative der Bevölkerung sind gute Beispiele für die Forschritte, zu denen der Verfassungsvertrag in diesem Bereich beiträgt. Europa wird mit seinen Bürgern gemacht oder gar nicht.

4. Ein effizienteres, transparenteres und demokratischeres Europa

Europa ist bisher attraktiv gewesen, weil es effizient war. Wir brauchen starke, demokratische und effiziente Institutionen, die es ermöglichen, gemeinsame Aktionen und Politiken zu beschließen, durchzuführen sowie neue zu entwickeln, dies unter Anerkennung des Prinzips der Subsidiarität. Wenn es schon mit 15 Mitgliedsstaaten schwierig war, einstimmige Entscheidungen zu treffen, so ist die Einstimmigkeit mit 27, so wie sie in den aktuellen Verträgen beschrieben ist, ein Synonym für Lähmung. Unser gemeinsames Ziel ist daher, den Gebrauch der qualifizierten Mehrheit auszubauen sowie die Verfahren zu vereinfachen, damit das europäische Handeln für die Bürger verständlicher ist. Mit diesem Ziel müssen wir auch unsere nationalen Parlamente mehr einbeziehen, so wie es der Verfassungsvertrag vorsieht.

Dies ist unser Vorschlag, der offen für den Dialog und die Reflexion mit den Staaten ist, die aus dem einen oder anderen Grund den Vertrag nicht ratifiziert haben. Auf diese Weise wollen wir einen Beitrag zur Anstrengung leisten, die Deutschland während seiner Präsidentschaft unternehmen wird, damit wir aus unserer gegenwärtigen Lähmung herauszukommen. Nach den Enttäuschungen und Rückschlägen ist es an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten der Union gemeinsam die Schwierigkeiten überwinden, damit unser Europa auf der Höhe der Herausforderungen der Zukunft ist.

Alberto Navarro, spanischer EU-Staatssekretär

Nicolas Schmit, luxemburgischer delegierter Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Einwanderung